DOLBY ATMOS – STUDIO-SETUP & MUSIKPRODUKTION
In den ersten beiden Teilen dieses Blogs ging es darum, wie man als Konsument Dolby Atmos genießen kann und um das Hören von Dolby Atmos-Material via Kopfhörer – Stichwort: Binauralisierung.
Dolby Atmos – im Studio, zu Hause & unterwegs
In diesem Teil wird es nun ernst und wir widmen uns dem Thema Studio-Setup und der Musikproduktion in Dolby Atmos mit Tipps und Tricks, um euch den Einstieg in die Welt des immersiven Audioerlebnisses zu erleichtern.
INHALTSVERZEICHNIS
Brauche ich ein spezielles Dolby Atmos-Studio?
Die Antwort lautet ja und nein. Klingt erstmal nicht sehr hilfreich, ist aber eine Tatsache, denn wenn ihr mit einem Dolby Atmos-kompatiblen Lautsprecher-Setup arbeiten möchtet, dann sind mindestens acht (5.1.2-Setup) oder besser zehn (7.1.4-Setup) Lautsprecher gefordert und ihr braucht auch ein Interface, das über die entsprechende Anzahl an Ausgängen verfügt. Die Lautsprecher sollten idealerweise durchgehend vom gleichen Hersteller und aus der gleichen Produktserie stammen. Eine Investition in dieser Größenordnung ist nicht ganz unwesentlich. Die drei vorderen Lautsprecher – links, rechts, Center – sollten leistungsstark sein, die seitlichen und hinteren Lautsprecher dürfen dann ebenso wie die Deckenlautsprecher auch etwas weniger Leistung bringen.
Möchtet ihr den Aufwand zu Beginn allerdings etwas niedriger halten, dann funktioniert das Ganze eben auch wunderbar mit Wiedergabe über Kopfhörer, wie im zweiten Teil des Blogs bereits erläutert.
Unser Tipp:
Einige Kopfhörermodelle eignen sich deutlich besser zum Abhören binauraler Audiosignale als andere. Grundsätzlich empfehlen wir akustisch offene Kopfhörer, deren Schallwandler beziehungsweise Membrane sich nicht zu nah am Ohr befinden.
Als entscheidender Faktor steht zunächst der Studiorechner, auf dem die DAW-Software läuft. Natürlich sollte er so leistungsstark wie nur möglich sein. Durch Dolby Atmos benötigt ein Kanalzug schnell nicht nur zwei Kanäle wie bei Stereo, sondern zehn oder mehr Einzelkanäle. Die höhere Anzahl an Kanälen sowie die Computer-Ressourcen, die zur Nutzung des Plug-ins benötigt werden, erhöhen die Leistungsanforderung gegenüber einer Stereoproduktion etwa um das Fünffache. Da kommt ein Studiorechner leicht an seine Grenzen.
Um einen Rechner langfristig nutzen zu können, lohnt sich eine Investition in ein leistungsstarkes Modell. Wichtig ist hier die Anzahl der sogenannten CPU-Cores. Um sicherzustellen, dass ein Rechner über das angemessene Leistungsniveau für DAW-Software verfügt, sollte man sich vor der Anschaffung gründlich beraten lassen. Office-Anwendungen stellen ganz andere Anforderungen an einen Rechner, und auch ein Gaming-PC ist nicht die richtige Lösung, denn Grafik- und Video-Bearbeitung erfordert ein völlig anderes Leistungsprofil, als für den Einsatz im 3D-Audio-Segment erforderlich ist. Die Grafikkarte ist hier Nebensache, aber die Anzahl der Cores und die CPU-Taktrate sollten möglichst hoch sein. Unter einem Studiorechner mit acht Cores geht nichts, 16 wären natürlich noch besser, und ein Intel i5- oder i7-Prozessor reicht nicht aus, Mindestanforderung ist hier ein i9 oder besser noch die entsprechende Workstation-Variante. Auch ein leistungsstarkes Mac Book mit Apple Silicon CPU der letzten Generation ist geeignet. Doch natürlich hilft hier wie gesagt eine gute Beratung durch eine Fachfirma.
Welche DAW-Software ist geeignet?
Es gibt durchaus DAW-Software, die geeigneter für Musikproduktionen mit Dolby Atmos ist als andere. Doch natürlich gibt es auch die Möglichkeit, die bevorzugte DAW-Software deiner Wahl nachzurüsten; darauf kommen wir später noch zu sprechen. Besonders gut für die Dolby Atmos-Musikproduktion eignen sich beispielsweise Cubase und Nuendo von Steinberg, Logic Pro von Apple und Pro Tools von Avid. Prinzipiell funktionieren aber auch andere Varianten, gegebenenfalls mit entsprechenden Einschränkungen im Komfort.
Dolby Atmos hat eine vorgegebene Reihenfolge der Kanäle. Hier einmal die Liste eines 7.1.2 Dolby Atmos Bed mit den üblichen Abkürzungen für die Kanäle und deren Beschreibung.
01: L (links)
02: R (rechts)
03: C (Center)
04: Lfe (Basskanal)
05: Ls (links Seite/Surround)
06: Rs (rechts Seite/Surround)
07: Lrs (links Surround hinten)
08: Rrs (rechts Surround hinten)
09: Ltm (links Top/Decke Mitte)
10: Rtm (rechts Top/Decke Mitte)
Doch natürlich wäre ja viel zu einfach, wenn sich alle DAW-Software-Hersteller an diese Reihenfolge halten würden. Einige Programme weisen eine abweichende interne Reihenfolge auf, beispielsweise Cubase und Nuendo. In der Regel wird das von den Plug-ins allerdings berücksichtigt und kompensiert, indem sie bei Erkennen der DAW-Software die Belegung entsprechend anpassen. Nur selten wird eine manuelle Anpassung erforderlich.
Welche Anforderungen stellt Dolby Atomos an DAW-Software?
Im ersten Teil der Dolby Atmos-Serie sind wir bereits auf den Dolby Atmos Renderer eingegangen. Er ist Voraussetzung für das Abhören und Erstellen der erforderlichen Dateien für die Produktion. Es gibt hier grundsätzlich zwei unterschiedliche Betriebsmöglichkeiten.
Die erste Methode kommt primär in größeren Studios zum Einsatz. Dort läuft der Dolby Atmos Renderer auf einem zweiten, externen Rechner, beispielsweise auf einem Apple Mac mini, und die Software muss separat von Dolby erworben werden. Die Verbindung zwischen den Rechnern erfolgt über eine Audioschnittstelle (in der Regel MADI) oder über ein Audio-Netzwerk. Vorteil beim externen Betrieb ist, dass die Rechnerlast für die eigentliche DAW geringer ist, was Kapazitäten für andere Anwendungen schafft.
DAW-Software-Pakete bieten aber mittlerweile auch einen internen Dolby Atmos Renderer an. Dieser fordert natürlich den Studiorechner mehr, aber es gibt keine externen Verbindungen, kein zusätzliches Audiointerface oder Netzwerk, und die Dolby Atmos-Software muss auch nicht angeschafft werden. Daher nutzen kleinere Studios eher die Möglichkeit, den internen Dolby Atmos Renderer der DAW-Software zu nutzen. Wir gehen hier ausschließlich auf diese Methode ein.
Der Renderer übernimmt vor allem das Monitoring. Über ein sogenanntes Authoring in der DAW-Software werden die Beds – also die 3D-Audio-Submixe und die 3D-Audio-Objekte – angelegt und den entsprechenden Spuren in der DAW-Software zugewiesen. Diese eingerichteten virtuellen Verbindungen überschreiben die des internen Mixers in der DAW-Software.
Wichtig ist zudem auch, für Dolby Atmos eine Abtastrate von 48 kHz und die Puffergröße des Treibers auf 512 Samples einzustellen. Es gibt auch Perspektiven für Dolby Atmos-Produktionen in 96 kHz, doch das ist bislang eher die Ausnahme und erhöht die Anforderungen an den Studiorechner nochmals.
Nach Abschluss der Dolby Atmos-Produktion wird eine Datei mit allen für die weitere Verwendung notwendigen Daten ausgegeben – also Audio-Inhalte und Metadaten. Dies ist die sogenannte Dolby Atmos Master ADM-Datei (ADM: Audio Definition Model).
In der DAW-Software wird über einen Multipanner in einem Kanalzug dann die virtuelle Richtung für die Klangquelle des Kanals eingestellt. Hier gibt je nach DAW-Software Unterschiede in der Darstellung und Handhabung. Meistens sind auch unterschiedliche Ansichten aufrufbar, wie eine 3D-Raumansicht, eine Draufsicht oder Seitenansicht. Das ist besonders hilfreich, um die Einstellung für die Höhenkanäle vorzunehmen.
Gibt es einfachere oder alternative Lösungen?
Was mache ich, wenn meine bevorzugte DAW-Software keinen Dolby Atmos Renderer unterstützt? Auch hierfür gibt es eine Lösung, nämlich den „Dolby Atmos Composer“ von Fiedler Audio. Diese Software bringt die Dolby Atmos-Funktionalität in die Workstation deiner Wahl, bietet zudem einen etwas vereinfachten Workflow und löst dabei auch einige Beschränkungsprobleme beim Dolby Atmos Renderer.
Die Software besteht aus dem Dolby Atmos Composer, der quasi als Dolby Atmos Renderer-Ersatz im Master-Kanal als Plug-in eingebunden wird, und dem Plug-in „Dolby Atmos Beam“ auf den anderen Kanälen. Das Beam-Plug-in stellt die Verbindung zum Dolby Atmos Composer her und definiert, ob ein Kanal als Bed oder Objekt behandelt wird. Zudem ist auch gleich der Multipanner integriert.
Der Dolby Atmos Composer sorgt auch dafür, dass man die Produktion ohne weitere Plug-ins direkt binaural über Kopfhörer abhören kann. Mit dieser Software-Lösung lassen sich daher auch auf reinen Stereo-DAWs Dolby Atmos-Produktion erstellen.
Welche Plug-ins brauche ich?
Mittlerweile stehen für fast alle Anwendungen passende Plug-ins für Mehrkanalproduktionen zur Verfügung. Und auch wenn, und gerade weil noch Wünsche offen sind, wird sich die Funktionalität immer weiter entwickeln und irgendwann allen Anforderungen gerecht werden.
Entscheidend im Umgang mit Mehrkanalproduktionen sind Werkzeuge, die es ermöglichen, den Pegel einzelner Kanäle oder die Kanalzuordnung innerhalb eines Kanalzugs anzupassen. Mit auralControl von PSP lassen sich Kanalpegel anpassen, einzelne Kanäle muten oder mal auf solo schalten. Mit Matrix von Sound Particles kann der Anwender schnell das Kanal-Routing innerhalb eine Kanalzugs ändern. Alles Dinge, die mit den On-Board-Werkzeugen der DAW-Software selbst meistens nicht so einfach zu lösen sind – auch wenn es sich eigentlich um fundamentale Funktionen handelt.
Für die Bearbeitung mittels EQ und Filter sowie für die Dynamik-Bearbeitung stellen die meisten mehrkanalfähigen DAW-Software-Pakete direkt Plug-ins bereit, und das Angebot an mehrkanalfähigen Plug-ins wächst zusehends. Allerdings ist auch wichtig zu erwähnen, dass in einem Plug-in nicht immer alle Kanalkonfigurationen angeboten werden. Immer noch gibt es viele Mehrkanal-Plug-ins, deren Bearbeitungsgrenze für Dolby Atmos Beds bei Format 7.1.2 liegt, und Formate wie 7.1.4 und höher werden häufig nicht unterstützt. Aber auch diese Hürde fällt so langsam, denn die Hersteller haben die Notwendigkeit begriffen.
Ein enormes Angebot gibt es an Reverb Plug-ins. Eine Vielzahl der DAW-internen Plug-ins bietet hier keine richtige Mehrkanal-Unterstützung. Hier einige Plug-ins als Beispiele: Für real-akustisches Material eignet sich „Roomenizer“ von Masterpinguin sehr gut.
Weiter gibt es von Nugen das Plug-in „Paragon“, das sich allgemein hervorragend in der Musikproduktionen einsetzen lässt, und „Cinematic Rooms“ von Liquid Sonics, ideal geeignet als Plug-in für den Bereich Filmmusik und Post-Production. Mit „Lustrous Plates“ von Liquid Sonics steht auch eine mehrkanalfähige Plattenhall-Simulation zur Verfügung.
Wenig findet man leider auf dem Gebiet der Mehrkanal-Tonerzeugung. So gehört der Synthesizer SkyDust 3D von Sound Particles zu den wenigen verfügbaren virtuellen Instrumenten, die auch 3D-Audio beherrschen.
Erst Stereo und dann Dolby Atmos, oder umgekehrt?
Widmen wir uns nun noch der Frage nach dem Workflow in einer kombinierten Stereo- und Dolby Atmos-Mehrkanalproduktion. In der Regel wird heute zunächst die Stereo-Produktion wie gewohnt erstellt. Aus der Stereo-Produktion werden einzelne Stems – also Sub-Mischungen – in Stereo exportiert, und zwar häufig mit und ohne Effektanteil. Diese Stems werden dann in eine Dolby Atmos-Produktionsumgebung importiert und dann weiterverarbeitet, um die Dolby Atmos-Produktion auf Basis des Stereomaterials zu erstellen. Das ist zwar ein durchaus gangbarer und einfacher Weg, doch man verschenkt dabei auch viele Möglichkeiten der Immersive Audio-Produktion. Im Idealfall komponiert man im Bereich der elektronischen Musik schon immersive, beziehungsweise in 3D-Audio.
Andererseits ist es auch nicht leicht, aus einer 3D-Audio-Produktion eine Stereo-Variante zu generieren. Es gibt zwar Werkzeuge wie Downmix-Plug-ins, die 3D-Audio-Material in Stereo konvertieren, aber die Ergebnisse sind nicht immer überzeugend, da bei Stereo-Mixes teilweise andere Vorgehensweisen genutzt werden als bei einer Mehrkanalproduktion.
Welchen Weg man gehen möchte hängt deshalb auch stark von der Art des Ausgangsmaterials und des Musikgenres ab. Bei sehr elektrolastiger Musik wird oftmals die Konvertierung ins Stereoformat aus 3D-Audio/Dolby Atmos-Produktionen bevorzugt, wohingegen im Bereich der akustischen Musik häufiger eine Stereo-Produktion verwirklicht wird, aus der dann der Dolby Atmos-Mix entsteht.
Doch beim Thema Dolby Atmos und 3D-Audio gilt natürlich: Regeln sind da, um auch gebrochen zu werden.
Wie wird immersives Material im Mix eingesetzt?
Wie gehe ich mit dem Material innerhalb einer 3D-Audio-, beziehungsweise Dolby Atmos-Produktion eigentlich um? Wie bereits erwähnt, existieren hier teilweise sehr unterschiedliche Ansätze. Beim Thema Equalizer und Filter ähneln sich die Vorgehensweisen, ganz anders ist es bei Fragen der Dynamik und dem Einsatz von Kompressoren und anderen Dynamikwerkzeugen. Durch die Verteilung der Schallquellen im virtuellen Raum lassen sich einzelne Instrumente über die Ortung des Gehörs besser auseinanderhalten und getrennter wahrnehmen. So ist der Einsatz von Kompression in den Summen und im Master deutlich zurückhaltender, besonders bei elektronischer Musik, bei der die einzelnen Instrumente über den gesamten Raum aufgefächert werden.
Beim Einsatz von Hall gibt es je nach Workflow zwei Vorgehensweisen. Arbeitet man mit Stereo-Stems – also Stereosummen von Instrumenten oder kleinen Instrumentengruppen, die dann als Stereoobjekte platziert werden –, so wird hier im Kanalzug auch häufig ein Stereo-Reverb eingesetzt, um einen Raum aufzuprägen. Wird aber mit einzelnen Quellen gearbeitet, die als Objekte platziert werden, so kommen 3D-Audio-Reverbs in der Summe und gegebenenfalls auch im Master-Kanal zum Einsatz, besonders bei akustisch geprägtem Material. Zu beachten ist, dass die 3D-Audio-Hall-Plug-ins zum Teil enorme Ressourcen der Workstation CPU in Anspruch nehmen.
Ein wichtiger Aspekt ist generell die Platzierung der einzelnen Quellen beziehungsweise der Instrumente im Raum. Auch hier muss man je nach Musik und Aufnahmeart unterschiedlich herangehen. Bei rein elektronischer Musik darf man auch mal gerne extremes Panning durchführen. Da kann eine Synthie-Fläche von der Decke kommen und Drums lassen sich auch auf alle Lautsprecher beziehungsweise Richtungen verteilen. Hier kann man kreativ werden, sollte das aber am besten schon bei der Komposition selbst planen und immersive denken, was das Panning angeht.
Bei Produktionen mit akustischen Instrumenten oder gar Orchester ist eher Zurückhaltung gefragt, was die Platzierung angeht. Hier muss man auch die Erwartungshaltung des Zuhörers erfüllen und der Fokus liegt hier mehr auf der Wahrnehmung eines Konzert-Erlebnisses. Der bedachte Umgang mit 3D-Audio-Reverbs und gegebenenfalls den Raummikrofonkanälen steht hier im Mittelpunkt, wobei auch Aufmerksamkeit auf die Platzierung der Zuschauer-Geräusche zu richten ist. Der Zuhörer der Produktion soll sich aus akustischer Perspektive wie ein Besucher mitten im Konzert fühlen.
Fazit
Dolby Atmos-Produktionen sind deutlich komplexer in der Abwicklung als Stereo-Produktionen und die Anforderungen an das Studio wachsen ebenfalls – besonders was die Leistungsfähigkeit des Studiorechners angeht. Aber wie wird so schön gesagt: Dolby Atmos ist das neue Stereo. Doch zurzeit befinden wir uns noch auf dem Weg dorthin. Klar ist aber: Wer sich heute langfristig in der Musikbranche betätigen möchte – sei es als Komponist, Musiker, Producer oder Toningenieur –, der muss sich intensiv mit immersivem Sound und Dolby Atmos beschäftigen. Geeignete Werkzeuge, um dies auch erstmal im Kleinen auf einem Laptop und mit Kopfhörer-Monitoring zu tun, gibt es ja zur Genüge. Also – let’s do it.
Quelle:
Dolby Atmos
https://professional.dolby.com/de/musik
Dolby Atmos Composer
https://fiedler-audio.com
Sound Particles
https://soundparticles.com/
Masterpinguin
https://www.masterpinguin.de/Roomenizer
Nugen Audio
https://nugenaudio.com
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