HERAUSFORDERUNGEN BEI DER MIKROFONIERUNG VON INSTRUMENTEN
Wie im Blogbeitrag „Unterschiede bei der Mikrofonierung von Instrumenten und Gesang“ schon angedeutet, ist die größte Herausforderung bei der Aufnahme von Instrumenten vermutlich die Tatsache, dass ein akustisches Instrument meist kein einzelnes „Loch“ hat, aus dem der gesamte Sound rauskommt. Akustische Instrumente sind eher „Klangkörper“.
INHALTSVERZEICHNIS
Was meinen wir damit?
Ein akustisches Instrument ist so konzipiert, dass es in einem Raum für den Zuhörer möglichst gut klingt. Dies wird nicht nur durch die Raumreflexion beeinflusst, sondern auch dadurch, dass das Instrument als „Ganzes“ den Klang erzeugt und abstrahlt.
Beispiele:
- Eine Akustikgitarre hat zwar ein Schallloch, aber eigentlich erzeugt die komplette Decke (= Vorderseite) den Sound.
- Bei einem Schlagzeug klingt die Bassdrum ziemlich „fad“, wenn man den Snareteppich nicht mitrascheln hört.
- Bei einem Klavier erzeugt nicht nur die angeschlagene Saite, sondern der komplette Korpus den Klang.
- Und als Extrembeispiel: Bei einer Kirchenorgel ist die komplette Kirche mit ihrem „großen Hall“ der Klangkorpus, der den mächtigen Klang erzeugt.
Worauf muss ich bei der Aufnahme von akustischen Instrumenten achten?
Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Techniken zur Mikrofonierung von Instrumenten etabliert. Lass uns diese mal etwas genauer anschauen.
Hier bringt man das Instrumentenmikrofon möglichst nahe an eine möglichst optimale Stelle „der Schallquelle“ heran. Ok, das klingt sehr wissenschaftlich. In der Praxis heißt dies z.B.:
- Stellt ein Mikrofon direkt vor das Schallloch einer Akustikgitarre
- Positioniert ein Mikrofon sehr nahe an das Schlagfell von Tom oder Snare an einem Schlagzeug
Was bringt uns dies?
Durch „Close-Miking“ erhalten wir ein sehr direktes, lautes und durchsetzungsfähiges Signal, auf dem sich wenig Nebengeräusche befinden. Dies ist vor allem im Livebereich überlebenswichtig, aber auch bei Studio-Aufnahmen, bei denen mehrere Instrumente gleichzeitig aufgenommen werden.
Der Nachteil ist, dass wir nur einen Teil des Instrumentenklangs aufnehmen und diesen anschließend mit EQs nachbearbeiten müssen um uns dem „in echt gehörten Klang“ anzunähern. Close-Miking bietet also sehr viel Direktheit und Präsenz, fängt aber nicht den kompletten Sound ein und klingt oft etwas „isoliert“. Zudem ist beim Close-Miking die Position des Mikrofons sehr kritisch, und schon ein paar Zentimeter hin- oder her können große Klangunterschiede bewirken. Man sollte hier also sehr penibel sein beim Aufstellen der Mikrofone und sollte mit der genauen Position herumprobieren. Nehmt euch bitte die Zeit, den „Sweet-Spot“ zu finden! Das Mikrofon um 5 cm nach links oder rechts zu verschieben, kann hier klanglich Welten ausmachen.
Ambient-Miking ist quasi der Gegensatz zum Close-Miking und beruht darauf, den Gesamtklang eines Instruments in einem Raum einzufangen. Hier verwendet man sehr oft Stereo-Mikrofonierung in XY-, AB- oder auch MS-Technik. Wer darüber etwas mehr erfahren möchte, darf sich gerne unseren ausführlichen Blog-Artikel Stereofonie zu Gemüte führen.
Aber um es hier etwas abzukürzen:
Mit Ambient-Miking möchten wir den Klang eines Instruments in einem bestimmten Raum einfangen, so wie wir diesen Hören. Dieser Raum sollte möglichst gut klingen. Je weiter man die Mikrofone an das Instrument heranbringt, desto „direkter“ wird der Klang (Direktschall). Je weiter man die Mikrofone vom Instrument entfernt, desto mehr hört man die Reflexionen im Raum (Diffusschall). Auch hier gilt es, wieder den „Sweet Spot“ zu finden. In eher „normalen“ Umgebungen wird man die Mikrofone eher näher am Instrument positionieren, um mehr Direktheit zu erlangen und nur etwas „Ambience“ vom Raum.
Allerdings sind einem beim Ambient-Miking nur wenige Grenzen in der Kreativität gesetzt, um außergewöhnliche Sounds in ungewöhnlichen Räumlichkeiten aufzunehmen. Eines der besten Beispiele ist vermutlich „When the Levee Breaks“ von Led Zeppelin. Aufgenommen im holzgetäfelten Treppenhaus eines englischen Landhauses mit zwei M160, die über das Geländer im Ersten Stock hingen. Ist das ein „tighter“ Studio-Drumsound? Nein! Hat dieser Drumsound Geschichte geschrieben? Ja!
Kommen wir nun zur Königsdisziplin der Instrumenten Mikrofonierung, dem Multi-Miking.
Hier wird in der Regel Close-Miking mit Ambient-Miking kombiniert. D. h. wir bringen einige Mikrofone sehr nahe an die Schallquelle heran, um Direktheit und viele Obertöne zu erhalten. Gleichzeitig verwenden wir Raummikrofone im „Ambient-Miking“, um den Gesamtsound einzufangen.
Praxisbeispiel Schlagzeug
Lasst uns einfach einmal ein Praxisbeispiel anschauen: Schlagzeug!
Wir wollen meist bei einem Schlagzeug einen definierten Anschlag mit überzeugendem Attack hören. Hierzu nehmen wir alle Trommeln im Close-Miking auf. Wir verwenden an den Toms die beyerdynamic-Modelle TG D58 und TG D57, an die Snare kommt ein TG I51. In die Bassdrum stecken wir ein TG D70 und für Becken und HiHat je ein MC 930.
Besser geht es kaum in Punkto Close-Miking und wir erhalten einen sehr definierten und „Punchy“ Drumsound mit viel Attack. Aber: Irgendwie klingt alles etwas isoliert und eindimensional und nicht so natürlich wie in unserem Aufnahmeraum. Nun fügen wir noch ein M 130 und ein M 160 in MS-Technik mit etwas Abstand im Aufnahmeraum hinzu und ziehen die Fader am Mischpult hoch. Oh ja! Auf einmal fängt das komplette Schlagzeug an zu leben und natürlich zu klingen. Bingo!
Achtung: Stolperstein Phase Alignement!
Achtet darauf, dass die Close Mics und Ambient Mics in Phase zueinander sind. Andernfalls werden sich die Sounds nicht ergänzen, sondern bekämpfen. Dies würde den Rahmen hier aber deutlich sprengen. Google It!
Zusammenfassung:
- Verwendet Close-Miking, wenn ihr ein sehr direktes und präsentes Signal haben, möchtet, welches sich gut durchsetzt. Leider kauft ihr euch damit einen weniger natürlichen Klang ein. Spielt mit der Mikrofonposition, um den Sweet Spot zu finden und erhöht auch gerne mal den Abstand des Mikrofons auf 50 cm oder mehr, um einen etwas breiteren Bereich des Instruments aufzunehmen.
- Verwendet Ambient-Miking wenn es euch um einen möglichst natürlichen und räumlichen Klang geht. Dies ist z. B. bei klassischer Musik sehr beliebt, kann aber auch im Rock-/Pop Bereich ein interessantes Tool sein, um außergewöhnliche Klänge in ungewöhnlichen Räumlichkeiten aufzunehmen.
- Multi-Miking bietet das breiteste Spektrum an Klangmöglichkeiten und lässt alle Optionen offen. Allerdings ist auch der Aufwand bei der Aufnahme deutlich höher und man benötigt etwas Erfahrung bei der Aufstellung, um keine „Phasenschweinereien“ zu bekommen.
Wie wähle ich das richtige Mikrofon für ein Instrument?
So, gestärkt mit dem Hintergrundwissen, was die Möglichkeiten und Tücken bei der Instrumenten-Mikrofonierung sind, hast du dir gedanklich schon einen groben Plan zurechtgelegt, wie du die Sache angehst. Nun stehst du vor der Frage: Welches Mikrofon verwende ich, um das optimale Ergebnis zu erhalten?
Wandlerprinzip
Dynamisch-, Bändchen- oder Kondensatormikrofon? Das ist hier die Frage. Und falls dir alle 3 nichts sagen, bist du zunächst bei unserem Blog-Artikel zu den unterschiedlichen Mikrofontypen gut aufgehoben.
Um es nicht zu kompliziert zu machen, gehen wir mal recht grob vor:
- Dynamische Mikrofone sind überall dort gut aufgehoben, wo es sehr laut ist, sich viel Luft bewegt und man nicht das letzte Quäntchen Feinzeichnung braucht (oder vielleicht gar nicht haben möchte). Bassdrum, Saxofon, Trompete, Gitarrenamp, usw. In den allermeisten Fällen bewegen wir uns hier im Bereich Close-Miking und Mikrofone wie ein TG-D70 oder ein M88 fühlen sich sehr wohl.
- Kondensatormikrofone sind die Waffe der Wahl, wenn man einen möglichst feinen, gut aufgelösten Sound braucht und maximale Details haben möchte. Streichinstrumente, Becken, Akustikgitarren, Flöten, etc. Close Miking ist möglich, oft spielen Kondensatormikrofone ihre klanglichen Stärken aber eher so ab 20 cm Abstand aus und brillieren beim Ambient-Miking. (Geheimtipp: Probiert als Alternative zu Kondensatormikrofonen wie dem MC930 mal ein M201)
- Bändchenmikrofone sind eine großartige Abwechslung zu Kondensatormikrofonen, wenn einem diese zu „steril“ klingen. Sie bieten eine tolle Auflösung, sind aber deutlich „wärmer“ im Klang und werden deshalb auch oft als „sehr natürlich klingend“ beschrieben. HiHat, Ride-Becken, Akustikgitarren sind häufige Anwendungen, sehr viele schwören aber auch auf Bändchenmikrofone am Gitarrenamp oder Klavier. Unser Tipp: Probiert mal beim Ambient-Miking eine M/S-Mikrofonierung mit einem M160 und einem M130. Ihr werdet überrascht sein.
Richtcharakteristik
Um mit weiteren unkonventionellen Wortspielen zu glänzen: „Je näher, desto Niere!“
Heißt: Close-Miking ist das Domizil der Nieren-, Supernieren- und Hypernierenmikrofone, da wir hier ja gezielt versuchen, ein Instrument mit möglichst wenig Umgebungsgeräuschen aufzunehmen. Umgekehrt ist es bei größeren Abständen oder Ambient-Miking. Hier möchten wir breitere Richtcharakteristiken haben wie Niere, breite Niere oder auch eine Acht, da wir ja möglichst viel des „Klangkörpers“ aufnehmen möchten bzw. einen sehr räumlichen Klangeindruck haben möchten.
Und wenn für dich „Hyperniere“ nach einem Fachmagazin für Chirurgen klingt, dann empfehlen wir dir die Lektüre unseres Blog-Artikels über Richtcharakteristiken.
Formfaktor/Halterung
Dieses Thema ist nicht „sexy“, bestimmt in der Praxis aber sehr oft die Wahl eines bestimmten Mikrofons. Nämlich immer dann, wenn man vor der Frage steht: „Wie zum Teufel komme ich da mit einem Mikrofonstativ hin?“. Manchmal ist auch einfach kein Platz mehr für ein Stativ oder kein Platz für ein Mikrofon in normaler Länge. Hier spielen dann Spezialisten wie das beyerdynamic TG D58 und TG D57 z. B. an Toms ihre Stärke aus, und mit einem TG I51 oder TG D35 vermeidet man Kollisionen, wenn das HiHat der Snare mal wieder bedenklich nahe kommt. Und ein Grenzflächenmikrofon wie das TG D71 ist in der Bassdrum oder in einem Cajon von der Handhabung her einfach superpraktisch (Geheimtipp: Flügel).
Auch wenn dies nicht direkt etwas mit „Sound“ zu tun hat beim Aufnehmen von Instrumenten … solche Mikrofone erleichtern einfach die Arbeit und sorgen dafür, dass man seine Zeit nicht mit dem Auf- und Abbau unzähliger Mikrofonstative verbringt. Dafür kann man mehr Zeit damit verbringen, beim Aufnehmen von Instrumenten den optimalen Klang einzustellen. Also hat es doch wieder etwas mit gutem Sound zu tun.
Das wichtigste im Überblick
Und für alle, die es „kurz und knackig“ mögen, hier nochmal die wichtigsten Facts:
- Instrumente, Sänger und Sängerinnen sind unterschiedliche Geschöpfe mit unterschiedlichen Eigenheiten und unterschiedlichem Verhalten, deshalb gibt es jeweils spezielle Mikrofone dafür. Das ist auch gut so!
- Nicht jedes Instrument muss immer mit einem Mikrofon aufgenommen werden, speziell bei akustischen Instrumenten gibt es oft aber keine wirklich gut klingenden Alternativen.
- Mache dir bewusst, dass akustische Instrumente meist „Klangkörper“ sind, die ihren Klang nicht ausschließlich an einer bestimmten Stelle abstrahlen, sondern als Ganzes betrachtet werden müssen.
- Die wichtigsten Aufnahmestrategien sind Close-Miking, Ambient-Miking und Multi-Miking. Alle 3 haben ihre Vor- und Nachteile. Je nach Instrument, Umgebung und Klangvorstellung muss der richtige Ansatz gewählt werden.
- Die Auswahl des richtigen Mikrofontyps mit einer passenden Richtcharakteristik und gegebenenfalls einer spezialisierten Halterung hilft dir, auf dem kürzesten Weg zu dem Klang zu kommen, den du erreichen möchtest. Ohne viel am Klang zu „schrauben“!
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