Stereofonie: Die Verfahren der Mikrofonierung

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STEREOFONIE: DIE VERFAHREN DER MIKROFONIERUNG

AB vs. XY vs. MS

Mit einem Mikrofon lässt sich alles Mögliche aufnehmen und der Kreativität scheinen zunächst keinerlei Grenzen gesetzt. Will man jedoch ein Stereosignal aufnehmen, braucht es logischerweise ein zweites Mikrofon, um die räumliche Ausdehnung des Schalls zu simulieren. Dazu sollte man zunächst verstehen, wie ein Mensch überhaupt Schallquellen hört und welche Möglichkeiten es gibt, diese entsprechend aufzunehmen. Die unterschiedlichen Positionierungsmöglichkeiten stellen wir dir in diesem Blogpost vor.

INHALTSVERSZEICHNIS

Was heißt eigentlich „Stereo-Aufnahme“?

Zur Beantwortung dieser Frage kann man sich sehr gut an der Funktionsweise des menschlichen Gehörs orientieren. Menschen hören mit dem rechten und dem linken Ohr. Um diese beiden Seiten mit den unterschiedlichen Audiosignalen zu versorgen, muss man bei der Stereofonie im Umkehrschluss auch beide Seiten aufnehmen. Dabei lassen sich zwei besondere Phänomene beobachten:

Intensitätsstereofonie:

Schallwellen, die von links kommen, nehmen wir am linken Ohr auch lauter wahr.

Laufzeitstereofonie:

Schallwellen, die von links kommen, erreichen das linke Ohr früher als das rechte.

Unser Gehör und unser Gehirn können diese Effekte verarbeiten und generieren daraus einen Raum-/Stereoeindruck. Mikrofone können hier zwar keine Tiefenstaffelung festmachen, aber zumindest lassen sich die Ausbreitungen nach links und rechts problemlos unterscheiden. In der Vergangenheit haben sich drei Verfahren der Stereofonie in Form verschiedener Positionierungen der Mikrofone als sinnvoll erwiesen, und diese möchten wir nachfolgend kurz erläutern.

XY-Positionierung

Für eine XY-Mikrofonierung werden zwei möglichst ähnliche Mikrofone mit Nierencharakteristik im 90-Grad-Winkel zueinander angeordnet. Realisieren lässt sich dieser Aufbau beispielsweise mit einem MC 930 Stereo-Set

Die Membranen sollten dabei einen möglichst geringen Abstand zueinander aufweisen. In der Theorie sind so beide Membranen an demselben Punkt angeordnet, weshalb auch kein Laufzeitfaktor entsteht. Bei der XY-Anordnung entstehen also keine Probleme mit Phasen und Monokompatibilität. Das Stereobild lässt sich im Nachhinein im Stereopanorama über Panning frei in der Breite verändern. Optional kann man die Mikrofone auch übereinander positionieren.

AB-Positionierung

Bei diesem Verfahren werden zwei Mikrofone – jeweils mit Kugelcharakteristik, wie beispielsweise das MM 1 – mit der Membran nach vorne in Richtung Schallquelle zeigend, in einem gewissen Abstand parallel angeordnet. Hier kann mit der Position und dem Abstand gespielt werden. Je näher das Paar an die Schallquelle rückt, desto direkter und intimer wird der Klang. Bei zunehmender Entfernung von der Schallquelle nimmt der Einfluss der Raumakustik zu. Sind die Mikrofone nah beieinander, so ist die Ortbarkeit/Phantommitte noch recht gut. Bei zunehmendem Abstand verschlechtert sich zwar die Ortbarkeit, dafür nimmt aber die Umhüllung, also der Raumeindruck, an Intensität zu.

AB Positionierung Stereomikrofonie beyerdynamic MM 1
Stereopanorama hart links/hart rechts

Bei einer AB-Positionierung gibt es zumindest in der Theorie nur einen Laufzeitfaktor. Um Phasenproblemen vorzubeugen, solltet ihr darauf achten, dass ddass die Laufzeit des Schalls zu beiden Mikrofonen nicht zu unterschiedlich ist. Beide Mikrofone sollten idealerweise im Stereopanorama hart links beziehungsweise rechts gepannt sein. Je stärker das Panning, desto breiter wirkt das Klangbild der aufgenommenen Schallquelle.

beyerdynamic blog Tipp

Übrigens: Aus der AB- und der XY-Positionierung haben sich im Laufe der Jahre viele neue Verfahren entwickelt. Besonders bekannt wurden die ORTF- und die NOS-Positionierung. 

beyerdynamic blog Tipp

Übrigens: Aus der AB- und der XY-Positionierung haben sich im Laufe der Jahre viele neue Verfahren entwickelt. Besonders bekannt wurden die ORTF- und die NOS-Positionierung. 

MS-Positionierung (Mitte/Seite)

Mit der MS-Positionierung lässt sich die Breite des Stereobildes besser kontrollieren als beispielsweise bei der AB-Positionierung. Dies führt dazu, dass man mit der Aufnahme in der Nachbearbeitung verschiedenste Dinge anstellen kann.

Anstelle eines aufeinander abgestimmten Mikrofonpaares benötigst du für die MS-Positionierung zwei Mikrofone, die auf Basis unterschiedlicher Richtcharakteristiken arbeiten.

Für die Aufnahme der „Mitte“ wird oft ein Mikrofon mit Nierencharakteristik verwendet, wie beispielsweise das MC 930, das in unserem Setup auf die Mitte des Schallerzeugers ausgerichtet wird. Für die Aufnahme der „Seiten“ eignet sich beispielsweise ein M 130, das eine Achtercharakteristik aufweist. Im Gegensatz zum Mittenmikrofon MC 930 ist das M 130 um 90° von der Schallquelle abgewendet, damit es besser die Seiten aufnehmen kann. Auch bei dieser besonderen Konstellation sollten die beiden Kapseln der Mikrofone möglichst nahe beieinander positioniert sein. Üblicherweise platziert man die Mikrofone mithilfe von Stativen direkt übereinander.

MS Mikrofonierung Stereofonie beyerdynamic
M 130 und MC 930 in MS-Position
MS Mikrofonierung Panning DAW
Panning der Signale in einer DAW

In unserem Fallbeispiel werden nun die Signale der beiden Mikrofone MC 930 und M 130 in einer DAW (Digital Audio Workstation) auf jeweils eine eigene Spur aufgenommen. Jetzt kommt der große Trick: Das Seitensignal unseres M 130 wird anschließend auf zwei verschiedene Kanäle aufgeteilt. Danach wird die Polarität eines dieser beiden Kanäle umgekehrt, also um 180° gedreht.

Als Resultat erhältst du insgesamt drei Audiokanäle, zwei für die Seiten und einen für die Mitte. Das Besondere an dieser Aufteilung ist, dass du nun ein Monosignal (das Mittensignal) hast, welches du mit dem Anteil der Seitensignale ganz nach deinen Wünschen anreichern kannst, indem du die Lautstärke der Seiten veränderst. So kannst du wunderbar mit der Stereobreite spielen, bis sie den eigenen Wünschen entspricht.

Welche Mikrofone eignen sich für die Stereomikrofonie?

Grundsätzlich kann es nützlich sein, die folgenden Punkte bei der Auswahl der Mikrofone und der anschließenden Aufnahme zu beachten:

  • Die Mikrofone sollten generell so neutral wie möglich klingen
  • Sie sollten eine frequenzunabhängige Richtcharakteristik besitzen
  • Üblich sind Kondensator oder gelegentlich Bändchenmikrofone, nur sehr selten Tauchspulenmikros
  • Kugelmikrofone übertragen mehr Bässe, aber auch mehr Raumakustik, Richtmikrofone können diese in Grenzen abschwächen
  • Die Raumakustik hat immer einen großen Einfluss auf die Aufnahme
  • Kein Hallgerät oder Plugin klingt so echt wie ein Raum
  • Stereofonie sorgt für mehr Seele in deiner Aufnahme

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